Zuerst hieß es „Nose to Tail“, jetzt heißt es auch „Leaf to Root“.
Auf jeden Fall ist es eine gute Idee, von einem Tier nicht nur die sogenannten Edelfleischteile, wie das Filet, zu essen. Zu einem Rind beispielsweise gehören auch weniger beliebte Teile wie Beinscheiben oder die Rippen. Nun liegt es im Trend, auch Gemüse „ganz“ zu essen. Dabei werden Pflanzenteile verarbeitet, die sonst weggeworfen wurden. Schalen, Blätter, Wurzeln und Stiele werden in Pestos, Smoothies oder Salaten mitverwendet oder zu Suppen gekocht. Gerade in den Sozialen Medien werden Tipps und Rezepte ausgetauscht.
Aber ist es bei Gemüse ebenfalls sinnvoll, „restlos“ zu essen?
Oft ist es sinnvoll, aber manchmal auch nicht zu empfehlen. Große Blattrippen, Stiele und Stängel von Blattgemüse enthalten oft mehr Nitrat als die inneren Blätter. In Avocadokernen steckt bedenkliches Persin. Tomaten bilden in Strunk, Stängel und grünen Stellen giftiges Solanin. Rhabarberblätter enthalten viel Oxalsäure, die Harnsteine begünstigt. Nicht immer ist es ratsam, auf das Schälen zu verzichten. Das gilt beispielsweise für Kartoffeln. Die Menge an Nährstoffen in der Schale ist nach langer Lagerung zu vernachlässigen. Grüne und keimende Stellen sollten wegen des hier ebenfalls enthaltenen Solanins entfernt werden. Rüben mit grober, geriffelter Schale können Schmutz und Rückstände von Pflanzenschutzmitteln „festhalten“.
Und wie sieht es mit den Blättern von Blumenkohl, Kohlrabi, Radieschen und Möhren aus?
Im Handel sind diese Blätter häufig noch am Gemüse und gelten als Zeichen von Frische. Aber stimmt das? Im Gegenteil: durch die hohe Wasserverdunstung über die Blätter wird das Gemüse schneller welk, Haltbarkeit und Frische nehmen ab. Während Blätter am Blumenkohl eine Schutzfunktion haben, sind sie bei Kohlrabi und anderen Arten im Laden nur dekorativ. Um das Blattwerk makellos in den Handel und bis zum Verbraucher zu bringen, sind vor der Ernte zusätzlich Pflanzenschutzmittel, Stickstoff als Dünger und natürlich Wasser notwendig.
Rückstände von Pflanzenschutzmitteln bei Gemüse-Blattgrün bisher kaum untersucht
Da bis vor wenigen Jahren die Blätter von Radieschen, Möhren, Rettich oder Kohlrabi meist als Kaninchenfutter oder in der Bio-Tonne endeten, wurden diese Pflanzenteile kaum auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln untersucht. Das hat sich geändert: Radieschen- und andere Blättern werden häufig in Smoothies, Pesto oder Salat gegessen. Der Trend zum „Restlos-Essen“ bringt auch die Lebensmittelüberwachung auf den Plan. Im Frühjahr 2024 hat beispielsweise das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart Radieschenblätter auf Pestizidrückstände untersucht. Die Ergebnisse zeigten deutlich, dass die Menge der Rückstände und die Anzahl gefundener Stoffe im Blattwerk größer als in den üblicherweise gegessenen Wurzeln ist. Der mittlere Gehalt der Blätter war um das 40-fache höher als bei den Wurzeln. Dies ist u. a. auf die große Oberfläche der Blätter zurück zu führen. Derzeit sind solche Radieschen noch verkehrsfähig, aber ab 2025 gelten neue Rückstandshöchstgehalte. Dann gelten die Werte von Grünkohlblättern und es wären 9 von 10 Proben Radieschenblätter beanstandet worden. Aufgrund der in den Blättern festgestellten Rückstände über den zukünftig geltenden Höchstgehalten, sollte man auf den Verzehr von Radieschenblättern aus konventionellem Anbau eher verzichten und stattdessen auf solche aus dem eigenen Garten oder aus biologischem Anbau zurückgreifen. Weitere Untersuchungen folgen im Frühjahr 2025.
Tipp: Am besten nur Blätter von Bio-Gemüse verarbeiten oder ungespritzte Blätter aus dem eigenen Garten.
Für weitere Informationen:
Simone Goetz, Fachbereich Lebensmittel und Ernährung